Unter Nachhaltiger Entwicklung wird ein Prozess verstanden, der auf einen Zustand allgemeiner Nachhaltigkeit abzielt, diesen aber nie erreichen kann (Otto, 2007, S. 39). Entsprechend kann auch die erste Definition von Nachhaltiger Entwicklung der World Commission on Environment and Development (WCED) im sog. Brundtland-Bericht (WCED, 1987) verstanden werden: «Nachhaltige Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können». Der Bericht beruht auf Grundlagen der 1983 eingesetzten Weltkommission für Umwelt und Entwicklung. Diese legte dar, dass die kritischen globalen Umweltprobleme das Resultat grosser Armut im Süden und nicht nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster im Norden sind. Sie forderte deshalb eine Strategie, welche Entwicklung und Umwelt zusammenbringt. 2015 haben die Uno-Mitgliedsstaaten 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung als Kernstück der UN-Agenda 2030 verabschiedet (Vereinte Nationen, 2015).
Zum ersten Mal werden hier Armutsbekämpfung und ökologische Nachhaltigkeit in einer Agenda zusammengeführt. Die Sustainable Development Goals (SDGs) (Abb. 1) sollen bis 2030 global und von allen UNO-Mitgliedstaaten erreicht werden. Kritische Stimmen (vgl. Lautensach, 2018) mehren sich aber, die aufzeigen, dass es prinzipiell unmöglich ist, die SDGs zu erfüllen, weil sich zahlreiche der 17 SDGs widersprechen, z.B. das Wirtschaftswachstum von SDG 8.1 mit der Erhaltung und Widerherstellung von Ökosystemen SDG 15.1. Dieser Widerspruch widerspiegelt sich auch in den unterschiedlichen Ausprägungen und Modellen von Nachhaltigkeit, wie sie seit 20 Jahren diskutiert werden (Döring, 2004; Steurer & Park, 2001). Die beiden bekanntesten Ausprägungen sind die Schwache Nachhaltigkeit bzw. die Starke Nachhaltigkeit.
Im Modell der Schwachen Nachhaltigkeit (Abb. 2) wird dargestellt, dass die drei Perspektiven Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft ausgeglichen und als gleichwertig angesehen werden müssen, um eine Nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen. So wird es auch im Lehrplan 21 dargestellt. Das Modell geht davon aus, dass ein stetiges Wirtschaftswachstum grundsätzlich möglich ist. Dieses muss lediglich in Einklang mit der Umwelt sowie der Gesellschaft gebracht werden. Man geht davon aus, dass eine immer effizientere Nutzung von Energie und Rohstoffen der Schlüssel zum Erreichen Nachhaltiger Entwicklung ist. Die Kritik an diesem Ansatz wird naturwissenschaftlich begründet: Es sei nicht möglich mit endlichen Ressourcen unendlich zu wachsen. Folglich würde die Umwelt mit diesem Ansatz weiter geschädigt, wenn auch weniger stark als bisher. Hier setzt der Ansatz der Starken Nachhaltigkeit (Abb. 2) an, der dem neuen Rahmenlehrplan für die Gymnasien zu Grunde liegt. Die Vertreterinnen und Vertreter dieses Ansatzes gehen davon aus, dass immerwährendes Wirtschaftswachstum unmöglich ist, denn der Abbau jeglicher nicht-erneuerbarer Rohstoffe wie Erdöl, Metalle oder Seltenen Erden führt dazu, dass diese den nächsten Generationen nicht mehr zur Verfügung stehen. Daher stellt das Modell dar, dass es ohne eine funktionierende Gesellschaft, keine Wirtschaft und ohne eine intakte Umwelt weder eine funktionierende Gesellschaft noch Wirtschaft geben kann. Eine radikale Verzichtsstrategie wäre die Konsequenz (Steurer und Park, 2001, S. 557). Weil nur bei biologischen Kreisläufen ein vollständiges Recycling möglich ist, nicht aber bei technischen Kreisläufen (aufgrund von Materialverlust bei Produktion, Vertrieb, Nutzung, Sammlung, Aufbereitung) dürften konsequenterweise, keine Rohstoffe wie Metalle, Sand, Erdöl usw. mehr genutzt werden. Das hiesse konkret „sofort zurück zur Steinzeit“ – ein sozial-ethisch heikler Prozess.